Als Erwachsener Verdacht auf Asperger-Autismus abklären lassen oder das besser auf sich beruhen lassen?

  • Hallo,


    würdet ihr als Erwachsener noch einen Verdacht auf Asperger-Autismus abklären lassen, wenn ihr soweit klar kommt bzw. völlig unauffällig lebt und die Abklärung nur für einen selbst erfolgen würde, um Gewissheit zu bekommen, und nicht, weil man das zB beruflich braucht?


    Ich bin da recht unschlüssig. Einerseits spielt es jetzt auch keine Rolle mehr, ob Asperger Ja oder Nein, andererseits wüßte ich es manchmal schon gerne. Nur wüßte ich auch nicht, ob ich mit so einer Diagnose umgehen könnte, weil sie zynisch betrachtet zu spät käme und mich das sogar eher noch nachträglich frustrieren würde ... .


    Ich lebe soweit völlig unauffällig und es war mir auch immer wichtig, mich unter Menschen normal zu verhalten. Meine Eltern könnten sich das gut vorstellen, dass ich Asperger habe, aber sie fanden das nie abklärungsbedürftig. Es ist jetzt eigentlich auch egal, ändert eh nichts.

  • Ach so ... ich weiß auch gar nicht, ob man das bei mir überhaupt noch diagnostizieren könnte, weil ich mich ja nicht mehr so verhalte, wie ursprünglich, sondern so angepasst, dass es mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Und das bin ja trotzdem ich und ich müsste dann quasi gegenüber den Ärzten bei den Tests mein anderes Ich künstlich darstellen, obwohl ich ja die Schauspielrolle als Identität von mir verinnerlicht habe.


    Ich weiß auch gar nicht, ob ich mein ursprüngliches Ich noch abrufen könnte und ich möchte auf keinen Fall lügen. Vielleicht ist das auch einfach ganz normal, jeder Mensch verändert sich ja und passt sich an, so dass er irgendwann jemand anderes ist, als früher.

  • Ich habe bei mir den Verdacht auf grenzwertigen Autismus und bin überzeugt davon, ADS zu haben.


    Ich bin auch versucht mir da Gewissheit zu holen... Auf der anderen Seite befürchte ich berufliche Nachteile von den Diagnosen.


    Schwierig...

    Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da. Lebe also heute!


    Pythagoras von Samos

  • Ich habe bei mir den Verdacht auf grenzwertigen Autismus und bin überzeugt davon, ADS zu haben.


    Ich bin auch versucht mir da Gewissheit zu holen... Auf der anderen Seite befürchte ich berufliche Nachteile von den Diagnosen.


    Schwierig...

    Man ist doch aber nicht gezwungen - dass dem Arbeitgeber mitzuteilen.

    Solange es rein nur um das Testergebnis geht und die Testung von einem selbst veranlasst wird.

    Oder denke ich da falsch :thinking_face: ??

  • Ich bin da echt ängstlich...


    Und habe da leider auch schon mal eine Art Warnung gelesen, weiß aber nicht mehr wo - wo genau das thematisiert wurde.

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    Pythagoras von Samos

  • Genau so ging es mir auch. Ich habe die Diagnostik dann doch machen lassen, weil ich von Asperger überzeugt bin und meine Hausärztin (selbst mit Aspies in der Familie) auch. Mir war klar, dass es kein leichter Weg wir mit der Diagnostik, weil man genau solche Situationen ja eigentlich meidet, wo man reden muss und genau beobachtet und analysiert wird. "Leider" wurde kein Asperger diagnostiziert, der Prof. meinte, das ausschließen zu können, allerdings ist er auch bekannt dafür, dass er Aspie-Frauen öfter mal "übersieht", wenn die zu gut maskieren. Wie es bei mir nun weiter geht, weiß ich noch nicht. Ob ich noch woanders eine Diagnostik anstrebe oder es auf dem "Verdacht auf" beruhen lasse. Zu meiner Hausärztin will ich deswegen auch nicht extra, das Gespräch muss warten, bis ich wegen was anderem irgendwann mal wieder hin muss.

  • Ich wurde vor acht Jahren diagnostiziert: Asperger-Syndrom, und zwar sehr eindeutig. Damals war ich 57 Jahre alt.


    Auch ich sehe mich als angepasst. Flüchtige Bekanntschaften würden bis heute niemals die auf die Idee kommen, dass ich autistisch bin. Man erlebt mich vor allem als extrovertiert, optimistisch und fröhlich.


    In engeren Beziehungen bzw. Freundschaften zeigt sich aber bald, dass an mir irgendetwas anders ist. Oft sind sie damit auch beendet - leider. Einzig meine Ehe hält stabil seit fast 35 Jahren. Mein Mann war derjenige, der mich eines Tages mit dem Thema "Asperger-Syndrom" konfrontierte. Er ist schon lange in der Behindertenarbeit tätig, kam von einem Vortrag einer Asperger-Autistin zurück und legte mir ihr Vortragsskript auf den Küchentisch mit den Worten: "Das bist exakt du!" Ich las das damals durch und fiel aus allen Wolken. Ich hatte bis dato keine Ahnung.


    Den Diagnoseweg war ich daraufhin gegangen, weil ich aufgrund schwerer Erkrankungen und natürlich auch mit zunehmendem Alter nicht mehr die Kraft für das dauerhafte, sehr anstrengende Schauspiel hatte, das unsereins ein unauffälliges Leben ermöglicht. Zunächst machte ich im Alleingang allerlei Tests, u.a. den bei http://www.rdos.net/de/. Das Ergebnis war genauso eindeutig wie bei allen anderen Tests auch. Daraufhin kümmerte ich mich um eine Diagnose, die überraschend schnell erfolgte.


    Für mich war die klare Diagnose einerseits eine große Erleichterung, da mir nun sehr viel aus der Vergangenheit klar wurde, andererseits suchte ich hilflos nach einer neuen Basis. Dafür begab ich mich ein gutes halbes Jahr später in eine psychosomatische Klinik, was mir sehr, sehr gut tat.


    Seitdem verstelle ich mich nicht mehr und stehe zu meinem Anderssein. Interessanterweise habe ich seitdem viel weniger Probleme mit meiner Umwelt als früher. Ich bin halt ein komischer Vogel und werde als solcher überwiegend akzeptiert. Sicher, meine seltsamen Rituale werden mitunter belächelt, was mir aber nichts ausmacht. Meine recht speziellen Aktivitäten und deren Resultate werden hingegen bewundert. Seit der Diagnose möchte ich niemand anderes mehr sein. Ich bin ich und halt anders als die Mehrheit. Schon allein dafür hatte sich für mich der Diagnose-Weg gelohnt.


    Vielleicht hilft Dir mein Erfahrungsbericht ein wenig weiter.

    Bejahe den Tag, wie er dir geschenkt wird, statt dich am Unwiederbringlichen zu stoßen. (A. de Saint-Exupéry)

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  • Auf der anderen Seite befürchte ich berufliche Nachteile von den Diagnosen.

    Der Arbeitgeber erfährt doch gar nichts davon. Der erfährt schließlich auch nichts davon, wenn bei Dir z.B. eine Gastritis oder Krampfadern diagnostiziert werden.

    Bejahe den Tag, wie er dir geschenkt wird, statt dich am Unwiederbringlichen zu stoßen. (A. de Saint-Exupéry)

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  • Auf der anderen Seite befürchte ich berufliche Nachteile von den Diagnosen.

    Der Arbeitgeber erfährt doch gar nichts davon. Der erfährt schließlich auch nichts davon, wenn bei Dir z.B. eine Gastritis oder Krampfadern diagnostiziert werden.

    Das klingt gut :grinning_squinting_face:


    Bei mir ist es aber meiner Wahrnehmung nach stärker Träumer - ADS als ASS.

    Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da. Lebe also heute!


    Pythagoras von Samos

  • Danke für eure Antworten.


    Zu den Nachteilen:

    Ich sehe da für mich am ehesten noch versicherungstechnische Nachteile bei den Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungen und würde eine Diagnose nicht in meiner Patientenakte haben wollen. Wenn würde ich die Diagnostik so durchführen lassen und selbst bezahlen.


    Außerdem habe ich eben auch die Sorge, dass man bei der Diagnostik eher nach so abtrainierbaren Verhaltensweisen geht wie der Frage, ob man dem anderen ins Gesicht schaut usw.. Da bin ich unauffällig, nur als Kind nicht, aber meine Eltern haben da sehr viele Wert drauf gelegt, dass ich mich im Sozialkontakt angemessen verhalte, also eben meinem Gegenüber weder zu kurz/gar nicht, noch zu lange ins Gesicht schaue.

  • Zitat

    Verdacht auf Asperger-Autismus abklären lassen


    Ich lebe soweit völlig unauffällig

    Warum?

    Welche Konsequenz hätte das?

    Ich schlage vor das du dein Leben so wie es ist weiterlebst ohne dich auf Autismus zu versteifen. :smiling_face_with_sunglasses:



    Man muss auch dazu sagen, das Asperger-Autismus inzwischen eine Modediagnose geworden ist, wo viele sich irgendwie drinn sehen oder sich in den Symptomen wiederfinden.


    Dazu hier ein guter Artikel

    https://www.welt.de/debatte/di…iagnose-geworden-ist.html


    Zitat


    Autismus ist eine beliebte Modediagnose geworden

    Die wahrscheinlichste Ursache für diese Epidemie ist, dass Autismus modern geworden ist – eine beliebte Modediagnose. Früher war Autismus eine seltene und unverwechselbare Diagnose, während der Terminus heute dazu verwendet wird, auch jene Menschen vage zu beschreiben, die nicht in die von DSM IV vorgegebenen Kriterien passen.

    Zitat


    Bei Autismus handelt es sich heute um ein breites Krankheitsspektrum, in das auch leichtere Symptome passen, die früher überhaupt nicht diagnostiziert wurden oder unter anderen Bezeichnungen bekannt waren. Autismus wird nicht mehr als überaus behindernde Krankheit gesehen und viele kreative und normal exzentrische Personen haben mittlerweile ihr autistisches Inneres entdeckt.

    Zitat


    Ein plausibleres Szenario ist, dass sich die Fallzahlen bei Autismus durch DSM IV erhöhten, weil auch mildere Krankheitsformen aufgenommen wurden, die sich nahe an der stark bevölkerten Grenze zur Normalität bewegen. Die drastische Steigerung der Krankheitsfälle ergab sich aufgrund einer breiter gefassten Krankheitsdefinition, durch das Internet,

  • nichtmehrdabei

    Ich wurde im Verlauf der Diagnostik sehr schnell "entlarvt", obwohl ich glaubte, nahezu perfekt antrainierte Verhaltensweisen zu haben. Glaube mir, die Leute sind geschult.


    Mit mir wurde in der Uniklinik Innsbruck z.B. ein Test gemacht, bei dem es darum ging, worauf man sich bei einem kommunizierenden Gegenüber konzentriert. Mir wurde ein Gestell über den Kopf gestülpt und dann ein Video gezeigt, in dem ich von einem jüngeren Mann freundlich angesprochen wurde. Ich beobachtete diese virtuelle Person, während sie sprach. Hinterher wurde mir gezeigt, worauf ich mich vor allem konzentrierte: Haaransatz, Haare, Ohren, Ohrläppchen, Oberlippenbart, Nase, ein Pigmentfleck auf der Wange, Augenbrauen, Halskette ... aber nur ganz wenig direkt die Augen, meist die Nasenwurzel. Nach dem Versuch zeigte man mir, wie die Augenbewegungen bei einem neurotypischen Menschen war. Der Fokus lag da tatsächlich auf den Augen, zwar auch irgendwie außen herum, aber primär sah diese Person direkt in die Augen des virtuellen Gegenübers.


    Im Verlauf der Diagnostik gab es einige Tests, mit denen ich niemals gerechnet hätte. Beim zweiten Termin ließ man z.B. urplötzlich die Jalousie am Fenster vor mir runter und bat mich, den Ausblick möglichst genau zu beschreiben. Für mich war das überhaupt kein Problem, für jemanden mit z.B. ADHS wäre es kaum möglich gewesen.

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  • Warum?

    Welche Konsequenz hätte das?

    Bei mir ist es so, dass ich besser mit etwas zurechtkomme, wenn es 100% sicher ist und nicht nur ein Verdacht. Dann weiß ich, ich muss in Zukunft damit leben und kann mich besser darauf einstellen und mich damit abfinden. Das war zum Beispiel auch bei meiner Fibromyalgie Diagnose so, da hat sich nach der Diagnostik ja eigentlich auch nichts geändert. Aber seitdem ich weiß, dass ich damit leben muss, fällt es mir viel leichter, die Schmerzen und sonstige Beschwerden zu ignorieren, wenn ich nicht mehr ständig denke: Was tut da jetzt schon wieder weh und wieso?

  • Warum?

    Welche Konsequenz hätte das?

    Z.B. dass man sich selbst leichter annehmen kann. Ich finde, das ist nicht nur viel, sondern sehr wichtig. Vielleicht solltest Du den gesamten Faden lesen ...

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  • Das gab es bei mir alles gar nicht, nur Gespräche und AQ Test (36 Punkte).


    Das Ergebnis des Tests, den du oben erwähnt hast und den ich vor Jahren schon mal gemacht habe, sieht so aus:

    Deine neurodiverse (Aspie) Punktzahl: 123 von 200

    Deine neurotypische (nicht-autistische) Punktzahl: 79 von 200

    Du bist sehr wahrscheinlich neurodivers (Aspie).


  • Vielleicht ist das auch einfach ganz normal, jeder Mensch verändert sich ja

    Das stimmt, Menschen verändern sich und manchmal entwickeln Menschen komische Angewohnheiten. Das heißt nicht das sie auch gleich Autismus haben.

    Ich an deiner Stelle würde mir da keinen Kopf drüber machen oder jetzt zu diversen Ärzten und Psychiatern gehen um die ganze Batterie der Diagnostik zu starten.


    Wie du ja selbst schreibst, lebst du unauffällig. Bleibt entspannt und nicht soviel Googeln :smiling_face_with_sunglasses:

  • @ TE

    Was lässt dich denn jetzt überlegen, ob du das abklären lassen sollst?

    Früher zu med1 Zeiten wolltest du von Autismus nichts wissen.

    Emma Piel🤱 saß am Nil 🏞️, aß Eis am Stiel 🍭, da kam das Krokodil 🐊, fraß Emma Piel🤱.

  • Warum?

    Welche Konsequenz hätte das?

    Z.B. dass man sich selbst leichter annehmen kann. Ich finde, das ist nicht nur viel, sondern sehr wichtig. Vielleicht solltest Du den gesamten Faden lesen ...

    Eben. Es gibt ja einen Leidensdruck. Ich zumindest frage mich schon mein Leben lang warum ich so bin wie ich bin - und ja, ich war und bin "auffällig" und anders.


    Kannst du, Hyperion, so gar nicht verstehen, dass das uber pures "da muss man einfach nur akzeptieren das man ist wie man ist" hinausgeht?


    Zu verstehen, warum man solche Besonderheiten hat, immer angeeckt ist... Das kann einfach erleichtern.

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    Pythagoras von Samos

  • So ist es Mozartfan. Mir hatte die klare Diagnose sehr geholfen.

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  • und manchmal entwickeln Menschen komische Angewohnheiten.

    Das hat mit Autismus rein gar nichts zu tun.

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