Aktivismus - Wahn oder Sinn?

  • Es wurde ja schon mehrfach gefragt, auch von Purzelbaumraum , wo denn nun die Grenzen des zivilen Ungehorsams liegen sollten. Das ist aber kaum feststellbar, wobei ich für Gewaltlosigkeit plädiere.

    Ich behaupte aber , wenn er zu positiven Veränderungen geführt hat, kann es geschehen, dass er im Nachhinein Teil des Demonstrationsrechtes wird und damit kein Ungehorsam mehr ist. Denn ich definiere "Ungehorsam" so, dass irgendwelche aktuellen Gesetze und Verordnungen gebrochen werden. Sonst wäre es keiner.


    Ich versuche wiederum einen Vergleich.


    Situation 1:

    Unser Faden dreht sich zum Großteil um die Klebe-Aktivisten, deren Tun als Straftat (Nötigung) gewertet und von vielen hier verurteilt wird. Zwar, und das kann niemand hier bestreiten, ist eine Blockade per se gewaltfrei. Den Kant'schen Imperativ sehen einige trotzdem nicht gewahrt, weil die Blockade die Freiheit Autofahrender verletze (wollen von A nach B, müssen auf Arbeit etc. pp.) Soweit, so möglich.


    Situation 2:

    Die Lokführer und das Bahnpersonal streiken um höhere Löhne. Das führt dazu, dass Züge ausfallen. Wiederum kommen Menschen, hier Reisende, wahrscheinlich sogar mehr, nicht von A nach B, Pendler nicht auf Arbeit.

    Dies steht aber unter keinerlei Kritik, bestenfalls medialer ("... auf dem Rücken der Reisenden, heul, jammer..."), aber festzustellen ist, dass es sich beim Streik um ein demokratisches Grundrecht und nicht um "Nötigung" handelt und die Gewerkschaften sind keine zivil Ungehorsamen, sondern sog. "Tarifpartner".


    (Deswegen wird seit Schröder hier ein umfassendes "Roll-Back" betrieben und - mit gewissem Erfolg - die Rolle der Gewerkschaften geschwächt. Das aber nur am Rande).


    Was ist nun Situation 1 und 2 gemeinsam?

    Durch die Störung des öffentlichen Lebens wird Aufmerksamkeit und Nachdruck für die Forderungen erzeugt. Von allein geschieht das nämlich nicht.


    Was unterscheidet Situation 1 und 2?

    1 ist kriminell, 2 nicht.

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

  • Ich sehe da einen großen Unterschied , Kulti.

    Es geht bei diesem Streik um Arbeitsbedingungen, wird von der Gewerkschaft organsiert - es wird verhandelt , es werden Kompromisse eingegangen, es ist zeitbegrenzt , wird angekündigt und es gibt auch Alternativen - zum Beispiel Busse, die zur Verfügung gestellt werden. Abgesehen davon , richtet es sich nicht an die Öffentlichkeit , an die Politik . Es gibt keine Zerstörung .


    Ich sehe bei den KLimaaktivisten weder Kompromissbereitschaft noch wirkliche Gesprächsbereitschaft , entweder ihr macht das , oder wir stören euch weiter . Und genau damit hab ich auch meine Probleme , es ist für mich kein Aufzeigen von Missständen mehr, um die Bevölkerung und die Politik wachzurütteln, sondern es ist ein Fordern und Drohen - wenn ihr nicht das macht , was wir wollen , legen wird das Land still , das macht mich echt sauer! Für mich hat das nichts mehr mit Demokratie zu tun.

    sondern es ist ein fordern und auch drohen - wenn ihr nicht das macht , was wir wollen , legen wird das Land still

    naja, äh, sowas kenn ich von Streiks aber auch ... gerade von den genannten Bahnstreiks zum Beispiel.


    Insofern kann ich das hier

    Dies steht aber unter keinerlei Kritik, bestenfalls medialer

    überhaupt nicht bestätigen, aber es ist mir schon klar, dass man hier nur motzen kann und das nichts ändert, ebenso wie bei der Kleberei.


    Und was letztere angeht:

    Das Demonstrationsrecht umfasst auch so allerlei. Da wüsste ich jetzt auch nicht, dass es als Nötigung geahndet würde, wenn deswegen mal eine Straße gesperrt wird. Aber Sachbeschädigung, Körperverletzung usw geht halt nicht, das geht aber auch bei Streik nicht.

  • Es geht bei der Bahn aber um Ihren Gehalt, um Arbeitsbedingungen - und es wid verhandelt , sie fordern nicht von der Politik und der Bevölkerung eine Veränderung , die umgesetzt werden muss , das ist für mich ein großer Unterschied .

    Es geht bei der Bahn aber um Ihren Gehalt, um Arbeitsbedingungen - und es wid verhandelt , sie fordern nicht von der Politik und der Bevölkerung eine Veränderung , die umgesetzt werden muss , das ist für mich ein großer Unterschied .

    Hm, also ein rein egoistisches Ziel - und dafür werden andere Teile der Gesellschaft "in Geiselhaft genommen", wie es dann so schön (oder unschön/ polemisch) heißt.

  • Was unterscheidet Situation 1 und 2?

    1 ist kriminell, 2 nicht.

    Faktisch bzw. in ihren Auswirkungen nicht viel. Das eine ist eben gesellschaftlich akzeptiert bzw. Usus (obwohl da gibt es auch immer Proteste, wenn Züge nicht fahren, Kitas geschlossen bleiben, etc.) und das andere sind eben nur ein paar nervige Spinner, die man notfalls mit Polizeigewalt von der Straße räumen lässt.

    Die Kriminalisierung findet erst mal nur in Augen der Genervten statt. Ob etwas davon kriminell im strafrechtlichen Sinne ist, können oft erst nur Gerichte feststellen.

    Unserer Gesellschaft ist ein wenig die Gelassenheit verloren gegangen, kein Wunder bei steter Überforderung an allen Ecken und Enden und selbstoptimieren soll man sich ja am besten auch noch. Wenn dabei der Druck im eigenen Kessel steigt und steigt, ist es eigentlich ganz gut, wenn es Dinge und Leute gibt, an denen man sich zwischendurch abreagieren kann. Man könnte allerdings auch anderweitig Druck ablassen und/oder präventiv handeln.

    Das eine ist eben gesellschaftlich akzeptiert bzw. Usus

    Nicht "gesellschaftlich", sondern rechtlich. Es gibt ein Streikrecht, und davon wird eben Gebrauch gemacht. Ebenso wie von einem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht wird. Letzteres wird wohl häufiger überdehnt als ersteres, weil Demonstranten meist eine inhomogene, offene Gruppe sind, die sich nicht unter juristischer Beratung in ritualisierten Bahnen bewegen so wie Streikende.

  • Nicht "gesellschaftlich", sondern rechtlich. Es gibt ein Streikrecht, und davon wird eben Gebrauch gemacht. Ebenso wie von einem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht wird. Letzteres wird wohl häufiger überdehnt als ersteres, weil Demonstranten meist eine inhomogene, offene Gruppe sind, die sich nicht unter juristischer Beratung in ritualisierten Bahnen bewegen so wie Streikende.

    Streiks sind dann wohl die vornehme Dame der Demonstrationen. :smiling_face_with_halo:


    Und wilde Streiks sind erst mal gar nicht so wild wie sie klingen, sondern einfach nur nicht angekündigt. :rolling_on_the_floor_laughing:

  • Hm, also ein rein egoistisches Ziel - und dafür werden andere Teile der Gesellschaft "in Geiselhaft genommen"

    Das ist mMn in der Tat polemisch, denn beim Bahnstreik wird niemand festgehalten. Es wird nur niemand befördert. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied zu einer Straßenblockade, bei der Verkehrsteilnehmer eingekeilt sind, weder vor noch zurück können, und somit ganz real festgehalten werden.

    Stell dir vor, du bist so gegen Krieg, dass du dich vor allem dafür einsetzt, dass derjenige gewinnt, der ihn begonnen hat.

  • Was ist nun Situation 1 und 2 gemeinsam?

    Durch die Störung des öffentlichen Lebens wird Aufmerksamkeit und Nachdruck für die Forderungen erzeugt. Von allein geschieht das nämlich nicht.

    Für mich persönlich ist beides okay. Ich vermute es ist Verständnis da, wenn der "kleine" Arbeiter um mehr kämpft, da geht das "Volk" mit. Gerade in der Pflege oder bei Erziehern versteht man das ja, ist ja auch ein Knochenjob, sie leisten jede Menge, deshalb dürfen sie auch Mal fordern.

    Die Klimaaktivisten halten aber genau die werktätige Bevölkerung (die Steuern zahlen) ab, die untere/mittlere Bevölkerungsschicht, die selber genug Alltagssorgen haben. Selber haben sie auch noch nicht viel geleistet, wir wissen es zwar nicht genau, aber ....wir können es uns denken.

    Und dann gibt es ja in Deutschland so eine große Gruppe von Autoaffinen Menschen, alles was sich gegen das Auto richtet, ist Böse. Mit denen kann man eh nicht reden.

    Die Museumsaktionen fand ich persönlich am Besten.

  • Streiks sind dann wohl die vornehme Dame der Demonstrationen. :smiling_face_with_halo:

    Ich glaube, das kann man durchaus so sagen.


    Hinzu kommt, wie CoteSauvage schon sagte, dass dies jahrzehntealte, ritualisierte Abläufe sind, die niemanden wirklich überraschen. Ebenso hat man mit den Gewerkschaften eine streng hierarchische Struktur mit konkreten Ansprechpartnern, die zu personalisierten Projektionsflächen miss-/gebraucht werden, z.B. durch Formulierungen wie "Claus Weselsky (GdL) geht egoistisch vor". Diese Personalisierung kennen wir zur Genüge aus der Politik und frönen ihr auch bei med2 ("Merkel / Scholz / Stegner etc sind schhuld an ...").


    Die Gewerkschaften bieten aber auch eine andere Einflussmöglichkeit der Gegenseite, nämlich Korruption.

    Da gilt das alte Prinzip: "Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, dann kaufe ihn."

    Dieses konnte bei VW besichtigt werden. Gewerkschafts"bosse" (allein das sagt es schon) sollten durch Sextourismus gefügig gemacht werden.


    Dies geht bei nichthierarchischen Proteststrukturen wie FfF u.ä. nicht so einfach. Deswegen sind wir hier gerade - nach dem Versuch der Lächerlichmachung - in der Kriminalisierungsphase.

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

  • Das ist mMn in der Tat polemisch, denn beim Bahnstreik wird niemand festgehalten. Es wird nur niemand befördert. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied zu einer Straßenblockade, bei der Verkehrsteilnehmer eingekeilt sind, weder vor noch zurück können, und somit ganz real festgehalten werden.

    Das sehe ich anders. In beiden Fällen landen Menschen möglicherweise kurzfristig in einer lokalen Zwickmühle und müssen aufgrund der verhinderten Mobilität unter Umständen private Nachteile in Kauf nehmen. Das geht von verpassten Terminen mit negativen Folgen, persönlichen Dramen (dringende Anreise zu dringenden Familiensachen wie Sterbefälle oder Erkrankungen) bis hin zu unmittelbaren Realverlusten wie verpasste Flieger und somit geplatzte Reisen.


    Ob einem das mit dem Auto passiert oder mit der Bahn, ist für die Betroffenen recht einerlei.

  • Das sehe ich anders. In beiden Fällen landen Menschen möglicherweise kurzfristig in einer lokalen Zwickmühle und müssen aufgrund der verhinderten Mobilität unter Umständen private Nachteile in Kauf nehmen. Das geht von verpassten Terminen mit negativen Folgen, persönlichen Dramen (dringende Anreise zu dringenden Familiensachen wie Sterbefälle oder Erkrankungen) bis hin zu unmittelbaren Realverlusten wie verpasste Flieger und somit geplatzte Reisen.


    Ob einem das mit dem Auto passiert oder mit der Bahn, ist für die Betroffenen recht einerlei.

    Du vergisst bei der Betrachtung, dass Bahnstreiks in aller Regel angekündigt werden. Ebenso wie Fluglotsenstreiks. Man hat die Möglichkeit, Vorsorge zu treffen, z.B. mit der Wahl eines alternativen Verkehrsmittels. Bei der Straßenblockade hat man nichts. Sie kommt unverhofft. Man kann sich auch nicht mal eben ein Taxi oder anderes Verkehrsmittel rufen. Nein, die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind überhaupt nicht vergleichbar.

    Stell dir vor, du bist so gegen Krieg, dass du dich vor allem dafür einsetzt, dass derjenige gewinnt, der ihn begonnen hat.

    Es scheint also so zu sein, dass es um die Nachvollziehbarkeit der geforderten Ziele geht, ob es in der Breite als kriminelle Nötigung oder lästigen Nebeneffekt eines berechtigten Anliegens geht: Und die Forderung eines unmittelbaren finanziellen Vorteils scheint da breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden ("kostet ja nur die jeweiligen Arbeitgeber was"), wohingegen abstrakte und längerfristige Ziele schwieriger sind ("könnten auch von mir Veränderungen verlangen...").

  • Du vergisst bei der Betrachtung, dass Bahnstreiks in aller Regel angekündigt werden. Ebenso wie Fluglotsenstreiks. Man hat die Möglichkeit, Vorsorge zu treffen, z.B. mit der Wahl eines alternativen Verkehrsmittels. Bei der Straßenblockade hat man nichts. Sie kommt unverhofft. Man kann sich auch nicht mal eben ein Taxi oder anderes Verkehrsmittel rufen. Nein, die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind überhaupt nicht vergleichbar.

    Ich gehe davon aus, dass die Anzahl Betroffener bei Bahnstreiks ungleich höher als bei einer lokalen Straßenblockade ist. Damit sinkt für Bahnreisende auch die Chance, Alternativen zu nutzen. In den Medien heißt das dann verniedlichend "Gestrandete".

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

  • Es scheint also so zu sein, dass es um die Nachvollziehbarkeit der geforderten Ziele geht, ob es in der Breite als kriminelle Nötigung oder lästigen Nebeneffekt eines berechtigten Anliegens geht

    Siehst du, und genau deshalb braucht es eine Instanz, die objektiv und so neutral und gerecht wie nur irgend möglich bewertet. Der kategorische Imperativ hilft dort nicht. :winking_face:

    Stell dir vor, du bist so gegen Krieg, dass du dich vor allem dafür einsetzt, dass derjenige gewinnt, der ihn begonnen hat.

  • Ich gehe davon aus, dass die Anzahl Betroffener bei Bahnstreiks ungleich höher als bei einer lokalen Straßenblockade ist. Damit sinkt für Bahnreisende auch die Chance, Alternativen zu nutzen. In den Medien heißt das dann verniedlichend "Gestrandete".

    Das spielt doch keine Rolle! Man hat aber immer die Chance auf Alternativen, die man bei der Straßenblockade nicht hat. Daneben besteht auch oft die Möglichkeit, den Termin noch zu stornieren oder zu verschieben. Dass die Anzahl Betroffener beim Bahnstreik möglicherweise höher ist, liegt einzig daran, dass die Streiks flächendeckend stattfinden und nicht punktuell, wie die Straßenblockaden. Würde nur ein Bahnhof bestreikt, würden wir einen Bahnstreik überhaupt nicht bemerken.

    Stell dir vor, du bist so gegen Krieg, dass du dich vor allem dafür einsetzt, dass derjenige gewinnt, der ihn begonnen hat.

  • Du vergisst bei der Betrachtung, dass Bahnstreiks in aller Regel angekündigt werden. Ebenso wie Fluglotsenstreiks. Man hat die Möglichkeit, Vorsorge zu treffen, z.B. mit der Wahl eines alternativen Verkehrsmittels. Bei der Straßenblockade hat man nichts. Sie kommt unverhofft. Man kann sich auch nicht mal eben ein Taxi oder anderes Verkehrsmittel rufen. Nein, die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind überhaupt nicht vergleichbar.

    Wenn du einmal versucht hast, wegen eines angekündigten Bahnstreiks auf alternative Mobilitätsformen umzusteigen (und das in einem Ballungsraum), siehst du das sicher auch anders. Es geht nicht immer nur ums "Wegkommen", sondern manchmal auch ums "Zurückkommen".

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