Austauschfaden für pflegende Angehörige

  • Zitat von Jakob

    Ich glaube immer und an jedem Tag in jeder Situation endlos geduldig, freundlich und zugewandt zu sein, wäre ein unrealistisches Ideal, das gar nicht menschenmöglich ist. In meiner Vorstellung sind professionelle Berufspflegekräfte chronisch überlastet, also kein Wunder, dass man da nicht immer die Nerven und Geduld hat. Privat wiederum sind ganz andere persönliche Emotionen im Spiel. Also ebenso kein Wunder, wenn man da nicht immer gelassen bleiben kann.

    Beruflich war es wesentlich leichter , da gibt immer wieder Ablöse, Freizeit , ich kann einen Kollegen ins Zimmer schicken, wenn es mir zuviel wird.

    Privat geht das nicht , es war eine Phase in der sie ständig Laute von sich gab, so ähnlich wie eine Krähe , Tag und Nacht - mein Fehler war , nicht auf den Rat anderer zu hören und mir zwischendurch Kopfhörer aufzusetzen , ich hatte immer das Gefühl, ich muss sie hören um reagieren zu können , wenn es ihr nicht gut geht oder sie etwas braucht . Hab es unterschätzt , wie sehr so ein monotones Geschrei an die Nerven geht . Kaum mehr geschlafen , ich war völlig am Ende , fertig mit den Nerven . Ja, irgendwann wurde sie so dermassen laut , dass ich sie schüttelte und an den Haaren zog .

    Mittlerweile ist sie wieder ruhiger , sind so Phasen und wenn es wieder losgeht , setze ich tatsächlich zwischendurch Kopfhörer auf , kann ja trotzdem bei ihr sein, oder nach ihr sehen . Sie bekommt für die Nacht ein Schlafmittel, somit bekomme ich wenigstens wieder mehr Schlaf , damals waren es oft nur 2-3 Stunden- jetzt sind sind es 4-5 Stunden- das macht viel aus , ich bin wesentlich ruhiger und entspannter , selbst wenn sie zwischendurch eine schlafarme Nacht hat .



    Zitat von Jakob

    Trotzdem gab es auch den ein oder anderen unrühmlichen Moment, der mir rückblickend betrachtet leid tut und der besser hätte laufen können. Draus lernen: ja. Mir lange Vorwürfe machen: eher nein. Ich denke, mein Vater wird mit mir als Kind sicherlich auch das ein oder andere Mal ungeduldig oder genervt umgegangen sein. Nicht, dass ich es als Abrechnung im Sinne von Zahn um Zahn sehe, aber genauso wenig wie ich es ihm krumm nehme, dass er sicher auch mal die Nerven mit mir verloren hat und es nicht optimal lief, wird er es mir hoffentlich nicht krumm nehmen. Er ist ein Mensch, ich bin ein Mensch.

    Ja, gute Einstellung .


    Größeren Belastungen und schwerwiegenderem Pflegebedarf wäre ich aber auch sicher nicht gewachsen gewesen bzw. bin es nicht, daher bei uns auch der Umstieg auf 24h-Pflegekraft.

    Freut mich , dass Du eine gute Lösung für euch gefunden hast , da gab es ja auch noch Hürden, wenn ich das noch richtig im Kopf habe mit Umbau und den Pflegekräften.

  • Das finde ich sehr interessant. Habt ihr das in den Patientenverfügungen untergebracht?

    Wie soll das dann in der Umsetzung aussehen? Jemand (ein Arzt?) muss ja bestätigen, dass der Fall eingetreten ist, also der Betreffende dement ist. Und da wäre man dann genau bei dem Problem, dass offizielle Stellen sowas in der Praxis nicht mal bestätigen, wenn die Leute regelmäßig nackt auf die Straße laufen.

    ja, haben wir. Aus dem Beruflichen kennen ich und meine Schwester (Krankenschwester im Hospiz) es so, dass Verfügungen, die nicht den üblichen Blabla-Standard enthalten deutlich wichtiger genommen werden, wenn man also erlesen kann, derjenige hat sich tatsächlich Gedanken gemacht, (das muss nicht mal professionell formuliert oder vom Notar aufgesetzt sein) ebenso wichtig ist dann weiter, dass jemand genau weiß, was deine Wünsche und Einstellungen sind, womit du noch leben kannst und möchtest und womit nicht. Ebenso sind die aktuellen Hausärzte mit im Boot, wissen Bescheid.
    Was die "offiziellen" Stellen angeht, wie du es nennst, ich kenne das hier überhaupt nicht, dass man Probleme mit der Betreuung bekommt oder ein Arzt keine Demenz diagnostizieren will.
    Wir haben regelmäßig Angehörigen nahegelegt, dass sie sich um eine Betreuung bemühen sollten und kenne es nicht, dass sich da ein Richter hier verweigert, vielleicht habe ich einfach Glück hier.
    Ich möchte nicht von meinen Kindern gepflegt werden, ich hoffe, sie finden dann einen netten Platz für mich, oder noch besser, dass ich dann zügig sterben kann, wenn meine Demenz sehr ausgeprägt sein sollte. Und wenn dann eine Pflegekraft zu ihnen kommt und ihnen sagt dass ihre Mutter eingekotet ist und sich nicht sauber machen lassen will, dass sie dann drauf bestehen, dass man dsa auch gegen meinen Willen machen darf, denn als ich noch meinen Willen kundtun konnte, und die Zusammenhänge zwischen Wundliegen, Ekel und Exkrementen noch begriffen habe, hätte ich nicht in meiner Scheiße liegen wollen.


    Womit ich gar nicht sagen will, dass Demenzkranke immer gegen ihren Willen behandelt werden sollen, auf keinen Fall. Aber ich kenne tatsächlich niemanden, der sich hinterher nicht wohler gefühlt hätte.

  • Womit ich gar nicht sagen will, dass Demenzkranke immer gegen ihren Willen behandelt werden sollen, auf keinen Fall. Aber ich kenne tatsächlich niemanden, der sich hinterher nicht wohler gefühlt hätte

    So sehe ich das auch Süntje, ich glaube auch nicht , dass demente Menschen , die im Kot liegen, sich wohlfühlen, sie verstehen nur die durchgeführte Handlung oft nicht . Abgesehen davon, empfinde ich es sogar als gefährliche Pflege , wenn Menschen einfach liegen gelassen werden.

  • Bei mir ist das eingetreten, wovor ich immer Angst hatte, weil ich immer Schlimmeres befürchtet hatte.


    Mein Vater lebte trotz PG 2 nach dem Tod meiner Mutter (Feb. 2021) immer noch in der großen Mietwohnung im 1. Stock. Für mein Empfinden war er dort nicht mehr richtig aufgehoben, denn seine Vorerkrankungen, insbesondere der Parkinson, schränkte ihn sehr ein, vor allem in seiner Beweglichkeit. Geistig war er immer fit. Im Feb. diesen Jahres bekam er ohne Sturz einen Oberschenkelhalsbruch, man vermutete eine starke Osteoporose in diesem Bereich nach Betrahlung eines Prostata-Ca. Direkt nach der TEP-OP stellte man fest, dass er Corona positiv ist, lange 16 Tage lang. Dadurch fand keine Mobilisation nach der OP statt, da er ja in Isolation lag. Über 14 Tage rumliegen tat ihm natürlich nicht gut, die Muskeln bauten schnell ab, die ja eh verhartet durch den Parkinson sind.


    Anfang April kam er wieder in die Häuslichkeit, sein Bewegungszustand noch schlechter und trotzdem lehnte er komplett ab, in ein Betreutes Wohnen zu gehen. Kostet viel zu viel Geld, obwohl er das von seiner mtl. Pension locker hätte leisten können.


    Am Montag letzter Woche ist dann das Schlimmste überhaupt passiert. Er wollte runter zu seinem Auto, mal nach dem Rechten sehen, obwohl er schon wochenlang nicht mehr gefahren ist. Dabei hat er den Halt verloren, ist mindestens die Hälfte der Treppe runtergestürzt, unten durch die Glasscheibe gedonnert und mit dem Nacken an den Holzrahmen geknallt. Die Nachbarin von unten hat sofort Hilfe geholt, der Notarzt und Krankenwagen schnell vor Ort. Er erzählte noch, dass er zu seinem Wagen wollte. Im ersten KH kam er ins CT und klagte schnell über Lähmungen in Armen und Beinen. Er hatte sich einen massiven Genickbruch zugezogen und schwere Einblutungen im Bruchbereich, welche auf das Rückenmark drückte und irrevesibel schädigte. Er wurde ins künstliche Koma versetzt und in ein zweites KH in die Wirbelsäulenchirurgie verlegt. Diese waren dann auch die ersten die meinen Bruder und mich informierten. Wir entschieden uns gemeinsam mit dem Oberarzt, die 6-8 stündige OP nicht durchführen zu lassen, sondern ihn Dienstagmorgen aus dem künstlichen Koma erwachen zu lassen, um dann zu gucken, wie seine körperliche Verfassung ist. Bis um 22 Uhr waren wir bei ihm auf der Intensivstation.


    Nachts um 1.00 Uhr kam dann der Anruf aus dem KH, dass sich sein Zustand deutlich verschlechtert und sind dann nochmals zu ihm gefahren. Um 2.30 Uhr stellten sie die kreislaufstabilisierenden Mittel aus, er kam sehr schnell in eine Arrthymie und hat sich um Punkt 3.00 Uhr auf den Weg zu meiner verstorbenen Mutter gemacht.


    Einerseits bin ich froh, dass er nicht aus dem künstlichen Koma geholt wurde und ich so sicher weiß, dass er keine Schmerzen hatte. Ab Hals abwärts gelähmt zu sein, hätte er auch nicht gewollt. Andererseits hardere ich sehr damit, dass ihm dieser unnötige Gang zu seinem Auto das Leben gekostet hat. Ja, es war alles selbstbestimmt, so wie er das wollte. Fertig werden müssen wir aber jetzt mit der Tragik dieses Unfalls. Für mich ist es schwer, ich war trotz allem immer ein Papa-Kind.

  • Mein aufrichtiges Beileid!

    Einerseits bin ich froh, dass er nicht aus dem künstlichen Koma geholt wurde und ich so sicher weiß, dass er keine Schmerzen hatte. Ab Hals abwärts gelähmt zu sein, hätte er auch nicht gewollt. Andererseits hardere ich sehr damit, dass ihm dieser unnötige Gang zu seinem Auto das Leben gekostet hat. Ja, es war alles selbstbestimmt, so wie er das wollte. Fertig werden müssen wir aber jetzt mit der Tragik dieses Unfalls. Für mich ist es schwer, ich war trotz allem immer ein Papa-Kind.

    Uff, das tut mir wahnsinnig leid. Aber bitte hadere du nicht mit seinem Unfall :red_heart: Welcher Gang ist schon "nötig"? Wenn es nicht beim Gang zum Auto passiert wäre, wäre es beim Gang in die Küche oder aufs WC oderoder passiert. Wenn er vom Hals abwärts gelähmt gewesen und so wieder aufgewacht wäre, wäre das doch eine Katastrophe gewesen. Du hattest natürlich nicht viel Zeit, dich von ihm zu verabschieden, aber im Grunde war das ja bisher schon ein langer Abschied ...

    Das weckt unschöne Erinnerungen in mir.

    Mein Dad ist mit 72 mit einem Balkon, der abgebaut wurde, abgestürzt.

    Die äussere Ecke brach herunter und er wollte noch schnell zurücklaufen, stolperte und fiel auf den Rücken. Rutschte Kopf voran die Schräge runter und donnerte in eine Mauer.

    Die Feuerwehr hat ihn irgendwie unbeschadet da rausoperiert und er kam mit dem Heli ins KH.

    Dort lag er noch 5h rum, bis der Chefarzt da war und er wurde operiert bis nachts um halb 2.

    Genick angebrochen, fixiert mit Metall und Schrauben.

    4 Wochen keinerlei Kraft und Gefühl im rechten Arm. Zum Glück ist fast alles wieder beim alten. Er wurde dieses Jahr 82.

  • HasiX

    Mein aufrichtiges Beileid! Das ist absolut tragisch...

    Aber: Du konntest nicht mehr tun. Er wollte nicht umziehen. Er hat (wie wohl viele Senioren) nicht wahrhaben wollen, was er noch kann und was nicht. Ich kann das einerseits so gut verstehen aus Sicht des älteren Menschen. Und andererseits beschert es uns als Kindern/Angehörigen so viel Stress, Ängste und Kummer.

    Aber solange jemand noch halbwegs klar ist, kann man ihn leider nichtkomplett vor sich selber schützen.


    Ich habe hier lange nichts mehr über die Situation bei meinen Eltern geschrieben. Weil ich genau an der Stelle festhänge: Hilfe wird verweigert, die eigenen Fähigkeiten erheblich überschätzt. Risiken ausgeblendet. Ständi gist irgend etwas, aber sie lassen nicht zu, dass man sie vor sich selber schützt. Also wird es so weitergehen, bis etwas Drastisches passiert. Prophezeiung unserer Hausärztin, total liebevoll und besorgt. Uns sind die Hände gebunden. Betreuung wurde vom Amtsgericht abgelehnt.


    Es ist einfach nur bitter und tragisch, wenn dann das eintritt, was man befüchtet hat. Aber: Du konntest nichts tun!


    Alles alles Gute für die kommenden Tage! Und viel Kraft...

    Live the life you love. Love the life you live.

  • Wer weiß, Hasi - vielleicht war es ihm so lieber, als seine Selbständigkeit weiter schleichend zu verlieren? Bei mir wäre es vermutlich so. Lieber so als noch viele Jahre in schlechter werdendem Zustand und immer mehr auf Hilfe und Pflege angewiesen.

    Für euch aber trotzdem ein furchtbarer Schock und Verlust. Alles Liebe für euch. Man ist einfach niemals darauf vorbereitet, ganz gleich, wie lange man sich schon mit einem bevorstehenden Verlust auseinandersetzt.

  • Ich habe hier lange nichts mehr über die Situation bei meinen Eltern geschrieben. Weil ich genau an der Stelle festhänge: Hilfe wird verweigert, die eigenen Fähigkeiten erheblich überschätzt. Risiken ausgeblendet. Ständi gist irgend etwas, aber sie lassen nicht zu, dass man sie vor sich selber schützt. Also wird es so weitergehen, bis etwas Drastisches passiert. Prophezeiung unserer Hausärztin, total liebevoll und besorgt. Uns sind die Hände gebunden. Betreuung wurde vom Amtsgericht abgelehnt.

    Wie ich das kenne! Eine jegliche Hilfe, egal von wem, wird verweigert. Man fragt sich, wofür diese Leute auf ihren Sesseln sitzen, diese in der Sozialverwaltung, oder wie das heißt.


    Ein paar Leute hier kennen meine Geschichte aus den Jahren 2015 und 2016.


    Meine Mutter, bei ihren Tod 92, hatte einen LAG, mehr als 25 Jahre lang, der war bei seinem Tod 101 oder 102.

    Diesen Mann hat sie bis drei Monate oder so vor seinem Tod betreut, den Haushalt geführt, ihn bekocht, usw., er war böse dement, extrem. Aber leider nicht immer, nur manchmal.


    Sie selbst war bis vier, fünf, sechs Monate vor ihrem Tod extrem fit, ich weiß die Zeiträume nicht mehr genau. Bis zu dieser Zeit ist sie noch mit der MOTOR-Heckenschere durch den Garten gesaust und hat Hecken geschnitten. Aber dann, besagte vier, fünf, sechst Monate vor ihrem Tod fing sie an, abzubauen. Ich dachte, dass sie jetzt auch die Demenz erwischt hat, aber nein, sie fing an, ein Glioblastom zu entwickeln. Aber das ist eine andere Geschichte, hochdramatisch!


    Vier, fünf Monate vor ihrem Tod, vielleicht auch sechs, fing ihr LAG an, sie zu drangsalieren, am Schluss wollte er sie umbringen, was ich verhindern konnte. Ich wusste schon länger, dass der Mann gefährlich werden kann, und dass ich nicht immer im Hause sein kann und mitkriege, was da so abläuft. Ich habe mir große Mühe gegeben, den Mann aus MEINEM Haus zu entfernen, keine Chance. Ärzte wollte bei einer eindeutigen Demenz-Diagnose und einer Einweisung nicht mitspielen, die Sozialverwaltung auch nicht. Die Frau sagte mir immer nur, sie kann nix machen, man kann gegen den Willen des Mannes gar nichts machen, wenn, dann geht das alles nur über ein Gericht, das Gericht ist überlastet, und beweisen, Demenz und so, können wir auch nicht. Also nahm das Drama seinen Lauf.


    Eines Abends ging mir das Gejaule eines Feuermelders oben im 1. OG auf den Sack, eine Weile habe ich weggehört, aber dann bin ich doch nach oben gegangen, und just, als ich in die Wohnung rein kam, fing auch ein zweiter Feuermelder an zu jaulen.

    Beim Wohnungstür-Öffnen ist mir schon aufgefallen, dass von innen abgeschlossen war und der Schlüssel innen steckte. Ein Glück, dass das so ein modernes Schloss war, das man trotz von innen steckendem BKS-Schlüssel von außen aufsperren konnte. Als ich dann drin war, ist mir sofort klar geworden, dass der Mann absichtlich abgeschlossen hat (er wusste nicht, dass man trotzdem aufschließen kann), weil er die Hütte abbrennen wollte. Ich sah, wie meine Mutter im Flur stand, und mit letzter Kraft die Küchentür, die nach innen zur Küche hin aufging, immer wieder zuzog, und der Mann in der Küche stand, und die Tür immer wieder aufriss und dabei dann auf meine Mutter mit einem Küchenmesser einstach. Ich dort hin, die Tür aufgemacht, dem Mann eine geschossen, das Messer flog im Bogen durch die Küche, und der Typ blutete wie ein Schwein. Woher sollte ich wissen, dass er solch eine dünne Haut hat, die sofort aufplatzt?

    Naja, egal, auf jeden Fall war ich dann in der Küche drin, wo ich dann auch den Grund für den beißenden Qualm in der ganzen Wohnung sah, was auch der Grund war, warum die Feuermelder Alarm gemacht haben. Der Mann hatte alle Herdplatten und den Backofen auf der höchsten Stufe eingeschaltet, und alle Kücheninstrumente, die einen Plastikgriff hatten, irgendwelche Messer, Schneidebretter aus Plastik, … auf die glühenden Herdplatten gelegt. Vermutlich wollte er sich und meine Mutter vergiften, „zur Sicherheit“ wollte er sie auch noch abstechen. Das Ganze hatte er regelrecht geplant, denn zuvor lag meine Mutter im Bett und schlief, er hatte sie wachgemacht und unter einem Vorwand in die Küche gelockt, wo sie aber dann eben von außen gerade noch rechtzeitig die Küchentür zumachen konnte.


    So, dazu schreiben könnte ich noch sehr viel, die Geschichte hat ja viele Gesichter, aber wichtig war mir, zu zeigen, dass im Fall der Fälle, ein jeder völlig alleine dasteht und von irgendeiner verkackten Verwaltung oder einem Arzt leider keine Hilfe zu erwarten ist.


    An diesem Abend habe ich die Polizei angerufen, die dann kamen und alles aufgenommen haben, mir haben sie ein Verfahren angedroht, weil ich dem Alten eine gezündet habe, worauf ich dann sehr nachdrücklich geworden bin. Ich habe den Polizisten gesagt, dass dieser Mann versucht hat, das Haus abzufackeln, meine Mutter umzubringen, und dass dieser Mann heute an diesem Abend dieses Haus zu verlassen hat und zwar auf Nimmerwiedersehen.

    Meine Mutter hatte ich so weit gebracht (die mit dem Glioblastom, von dem noch niemand was wusste), dass sie einer Entfernung des Mannes aus Wohnung und Haus zugestimmt hat. Meine Frau hat einen Koffer mit irgendwelchem Zeugs gepackt, damit der Mann nicht ohne Zahnbürste oder Unterhose irgendwo aufwacht.

    Die Polizei wollte den Mann nicht entfernen, worauf ich sagte, dass ich sie im Moment nicht zwingen kann, aber dass ich dafür sorgen werde, dass dieser Mann niemals mehr meiner Mutter was zu leide tut oder mein Haus abfackelt. Das haben sie dann wohl doch verstanden, und plötzlich hatten sie einen Platz in einem Heim aufgetan (in dem mit dem übelsten Ruf in der ganzen Stadt) und haben den Mann dort hin verfrachtet. Dort, ich kann es nicht anders sagen, meine Frau hat ihn manchmal besucht und hat das Drama mitverfolgt, haben sie ihn schlicht verrecken lassen. Drei Wochen später war er tot.


    An diesem Tag, an dem Todestag ihres LAG, fiel am Morgen meine Mutter im Bad um, d.h., sie fiel nicht um, sie konnte sich am Waschbecken festkrampfen, und meine Schwester, die gerade aus Norwegen zu Besuch war, konnte sie dann sanft auf dem Boden ablegen. Meiner Schwester hatte ich gesagt, dass sie Gas geben muss, wenn sie mit Mama noch ein paar Worte reden wollte, da es mit ihr irrsinnig schnell zu Ende geht.

    Ja an diesem Morgen kam dann der Notarzt, und man verbrachte meine Mama in die Klinik. Am späten Vormittag, Visite war gerade im Gange, haben wir Mama besucht: meine Schwester (leitende Ärztin in Norwegen), ich, und meine Frau. Bei der Visite wollten sie uns rausschicken, woraufhin wir dann Tacheles anfingen zu reden. Es stellte sich heraus, dass man im Oktober, (mittlerweile war es Januar geworden) als meine Mutter im gleichen Krankenhaus war, genau deswegen, weil sie manchmal ohne ersichtlichen Grund ohnmächtig wurde, entgegen unserer Anweisungen den Kopf nicht in der Röhre untersucht hat. Dann hätte man evtl. das Glioblastom entdeckt, vielleicht auch nicht. Aber man hat die Untersuchung nicht gemacht, dafür mir, bei einem Besuch damals, leicht süffisant gesagt, dass meine Mutter Köperpflegedefizite habe.

    Zurück zur Visite im Januar: ich sagte den Ärzten, dass meine Mutter seit ca. Oktober des Vorjahres eine völlig andere Person ist als vorher. Irgendwie fiel das Wort Wesensveränderung, und das war für die Ärzte wohl die Initialzündung, nun endlich den Kopf zu untersuchen. Und was soll ich sagen: Am Abend dieses 23. Januar rief man mich an und sagte, man habe eine Geschwulst im Gehirn gefunden, ein Glioblastom.


    Tja, so war das. Aber es ging noch weiter: zwei, drei Stunden später klingelte es vorne am Grundstückszugang: die Polizei. Ich habe geöffnet, sie fuhren herein, und dann sagten sie mir voller vermeintlichem Mitgefühl, dass vor zwei oder drei Stunden der Herr S. (der LAG meiner Mama) gestorben sei. Meinen verhaltenen Jubel konnten sie gar nicht verstehen, sie dachten, ich sei überfordert und reagiere deshalb so, aber nachdem ich ihnen erklärt hatte, was das für ein Arschloch war, dieser Herr S., haben sie mich verstanden, und sind nach dem Genuss mehrerer Tassen Kaffee wieder vom Hof gefahren.


    Ja, es gibt Leute hier, die kennen das, die haben das damals ziemlich life mitverfolgt, aber vielleicht wieder vergessen, könnte auch sein.


    Auf jeden Fall, wer glaubt, dass so eine Behörde hilft, wenn es um Hilfe geht, wenn es um wirklich, richtig dringend nötige Hilfe geht, der täuscht sich mächtig. Mächtig, mächtig.


    P.S.: ich bin aus diesem Land ja abgehauen, aus Gründen, wie man sieht, das waren jetzt nur einige, aber wenn es um eine Mutter geht, zählen die schon eher doppelt. Auf jeden Fall bin ich jetzt in Asien,. wo es solche Kack-Behörden nicht gibt, aber mit solchen Problemen umgehen, das können die Menschen viel besser als im Behörden-Deutschland!

    tachy-/bradykard

  • MrWinterbottom

    Das tut mir leid, das ist dramatisch!

    Hier ist es so, dass die Hausärztin super ist. Sie fährt mittlerweile alle paar Wochen unangekündigt bei meinen Eltern vorbei und dokumentiert, was sie vorfindet (Gammelfleisch im Kühlschrank, Zustand Badezimmer,...). Immer auf viel Widerstand meiner Ma stoßend. Aber noch klappt es. Der Pflegedienst schreibt monatlich einen Bericht.

    Aber das Amtsgericht hat jetzt zum 2. Mal die gesetzliche Betreuung abgelehnt. Bei meinem Vater, der sich ziemlich gut hält und Basics wirklich gut geregelt bekommt und Überblick hat, kann ich es verstehen. Er ist aber - wider Erwarten - zunehmend beriet, Hilfe anzunehmen. Aber meine Mutter wird zunehmend aggressiv und er kneift halt, wenn er zu viel Gegenwind von ihr bekommt. Zumal er total abhängig ist.

    Wenn sie mit dem Kochen überfordert ist und er Hunger hat, sagt sie "Mach ich nicht". Und er sagt niedergeschlagen "ach, dann brauche ich auch nichts.". Er hat Diabetes, er nimmt deutlich ab. Sie kauft ein, er kommt alleine nicht raus. Also bestimmt sie, was es gibt. Und das wird immer weniger. Und sie handelt regelrecht bestrafend. Und trotzdem ist mein Vater immer noch nicht bereit, zu gehen. Dafür habe ich ihn mittlerweile bei JEDEM Besuch weinend im Arm.


    Naja, aber bei meiner Ma verstehe ich die Ablehnung der Betreuung wirklich nicht mehr. Aber: So ist es.


    Wir (also HÄ und ich) hoffen jetzt nur noch, dass irgendein eher harmloses gesundheitliches Problem dazu führt, dass einer nicht mehr im Haus bleiben kann. Dass mein Vater mit seinem Parkinson die Treppe nicht mehr schafft. Oder oder oder. Und hoffentlich nichts Schlimmeres, so wie bei HasiX.


    Es ist einfach nur zum Heulen und Verzweifeln. Man sieht die Katastrophe nahen und ist machtlos.

    Live the life you love. Love the life you live.

  • Ja.....Ich schreibe hier nichts dazu, aber ich schicke Dir und Deiner Frau eine dicke Umarmung nach Nan. 🤗🤗

  • Wir (also HÄ und ich) hoffen jetzt nur noch, dass irgendein eher harmloses gesundheitliches Problem dazu führt, dass einer nicht mehr im Haus bleiben kann. Dass mein Vater mit seinem Parkinson die Treppe nicht mehr schafft. Oder oder oder. Und hoffentlich nichts Schlimmeres, so wie bei HasiX.


    Es ist einfach nur zum Heulen und Verzweifeln. Man sieht die Katastrophe nahen und ist machtlos.

    Ich wünsche dir so sehr, dass es irgendwas gibt, irgendein Ereignis oder ein Einsehen, dass die tumben Behörden auf Trab kommen!


    Ja, man sieht die Katastrophe kommen und ist machtlos. Was denkst du, was passiert, wenn dein Vater mal RICHTIG wütend ist, weil er nix zu essen kriegt? Wenn er seine Frau erschlägt, ist das Gejammer groß, und die häusliche Gewalt, und die gewalttätigen Männer, und so, aber dass man monatelang um Hilfe gebeten hat, weil man es kommen sah, das will dann keiner hören. Unter Umständen kannst du dir noch anhören, dass du doch Dipl. Psych. bist und warum du keine Lösung angestrebt hast.

    tachy-/bradykard

  • Ja.....Ich schreibe hier nichts dazu, aber ich schicke Dir und Deiner Frau eine dicke Umarmung nach Nan. 🤗🤗

    Vielen Dank, Paradisi. Du hast ja schon einige Male beschrieben, wie man in den Tod gleiten kann bzw. jemanden in den Tod begleiten kann, ohne dass derjenige leidet oder Schmerzen hat.

    Als meine Mutter dann an diesem Morgen in die Klinik verbracht worden war, wo man mir am Abend die Glioblastom-Diagnose mitteilte, haben wir uns zu dritt (meine Schwester, meine Frau und ich) über das Schlafzimmer der Beiden hergemacht. Da war gar nichts mehr zu retten, aber wir hatten ja noch keine Diagnose. Ich habe das Zeugs alles runter gebracht, zum Verbrennen, ich kann nicht beschreiben, wie das aussah und in welchem Zustand alles war. Um die Mittagszeit rum sind wir in ein Einrichtungshaus gefahren und wollten Bett, Matratzen, und diverses Zeugs kaufen, dabei mussten wir dann feststellen, dass die eigentlich so gut wie nix da haben, nur Show-Objekte, und alles erst bestellen mussten. Also habe ich bestellt, um dann am Montag alles wieder abzublasen, weil wenn wir nach der Diagnose was gebraucht hätten wäre es höchstens ein Pflegebett gewesen.

    Zum Glück haben sie die Stornierung sehr freundlich angenommen.

    Nach der Diagnose (23. Januar) war meine Mutter noch drei, vier Tage im Krankenhaus, sie konnte von Tag zu Tag immer weniger, nicht mehr sprechen, nicht mehr schreiben, nicht mehr laufen. Das Zimmer, wo sie lag, war in einem höheren Stockwerk, von dem aus man über die Stadt sehen konnte, und da sie wusste, wo ihr LAG ist, hat sie immer wieder angefangen, einen Satz zu bilden und hat in die Richtung gezeigt, wo der Mann lebt. Dass er seit dem Tag ihrer Einlieferung in dieses Krankenhaus tot war, wusste sie nicht, ich habe es nicht geschafft, ihr das zu sagen. Wir haben es ihr später gesagt, in dem Heim, in dem sie ihre letzte zwei Lebenswochen war und wo sie gestorben ist, exakt drei Wochen nach der Diagnose.

    Warum ich das schreibe: erstens beschäftigt es mich immer noch extrem, mitbekommen zu haben, wie Menschen bei uns krepieren, und dazu wares meine Mama, und zweitens deshalb, weil es irgendwelche Hilfen in Richtung "schönes, leichtes Sterben" überhaupt NULL gab. Der Hausarzt, ein an und für sich netter Kerl, der auch meiner und der Hausarzt meiner Frau war, auch des Herrn S., LAG meiner Mutter, kam jeden zweiten oder dritten Tag um nach meiner Mutter zu schauen, das war es aber auch.

    Alles sehr, sehr traurig, es gibt dafür schlicht keine Worte.

    tachy-/bradykard

  • Da gibt es keine Worte. Wir haben oft genug über alles geschrieben. Vergessen kann man diese Vorkommnisse nicht, aber bitte denke an dich und deine Frau. So eine Ehe wie ihr beide, hat noch längst nicht jeder. ❤️

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