Leben ohne Auto - von Bequemlichkeit zu Notwendigkeit und zurück...

    Das "heiligs Blechle" - wie vielen Erfindungen, die den evolutionären Drang zum Energiesparen befriedigen, war ihm ein großer Erfolg beschert.

    Nachdem dieses bevorzugte Energiesparen sich dabei ausschließlich auf den menschlichen Körper bezieht, sind damit leider ziemlich schnell die physikalischen Grenzen der Vernunft erreicht und überschritten worden, was sich grob zusammengefasst auf die Frage reduzieren lässt, wieso man für die Beschleunigung von durchschnittlich 100kg Nutzlast etwa 1500kg Fahrzeug bewegen und 10qm Verkehrsraum belegen muss.

    Es ist wie es ist und damit leider auch zur Normalität geworden, der man sich in weiten Teilen unterordnen muss.

    Wie weit diese Notwendigkeit des Arrangierens mit dem Auto geht und wie man sich davon unabhängig machen kann, soll dieser Faden erörtern.

    Meine Rahmenbedingungen: sechsköpfiger Haushalt, ein Führerschein, kein Auto, dafür ein Lastenrad und eine Handvoll andere Fahrräder und Anhänger in Benutzung - aber: relativ flache Gegend, trotz kleinem Ort notwendige Geschäfte, Ärzte und Bahnanschluss fussläufig zu erreichen, nächste größere Stadt 20min mit dem Rad, nächste Großstadt halbe Stunde mit dem Zug entfernt...

    Einsteigen, anschnallen und los geht's...

  • Ich wohne richtig auf dem Dorf, mit dem umliegenden Dörfchen ist es halt eine Gemeinde. Busse fahren hier sehr mässig, in den Schulferien nur morgens und abends. Die nächste Stadt mit Uniklinik ist gute 50 km entfernt, das nächste Krankenhaus 20-30 km entfernt. Hier gibt es nur die klassischen Hausärzte, für Fachärzte muss man dann wieder um die 20 km fahren. Supermärkte sind fast alle am Dorfrand liegend, 4-6 km entfernt.


    Hier hat früher wirklich jeder Jugendliche zugesehen, dass man mit 18 seinen Führerschein gemacht hat, weil es hier gefühlt nix gab. Auto ist hier ein Muss.


    Was wir nicht machen, sind Spazierfahrten oder unnützes Herumfahren. Wenn wir ins Auto steigen, dann hat es immer einen trifftigen Grund und es werden dann auch Fahrten zu verschiedenen Geschäften auf eine Tour gelegt.

    Ich wohne in einer mittelgroßen Stadt, habe Bus vor der Nase. 2x Führerschein, ein Wagen.

    Den Wagen benutze meist ich für den Weg zur Arbeit, einfach 26 Kilometer ca 20 Minuten, die ich auch mit je 1h Fahrzeit per ÖVP erreichen kann.

    Nach 9-10h arbeiten möchte ich nur noch nach Hause und nicht je 20 Minuten zu den entsprechenden Bahnhöfen laufen bzw warten bis der Bus kommt.

    Der Fahrkartenpreis hat mich auch unangenehm überrascht und ich fahre definitiv mit meinem Wagen weiter zur Arbeit.

    Einkaufen ist auch sehr praktisch da es ein Kombi ist (Hund on board) und so auch mal schnell was größeres transportiert werden kann.

    Unnötige Fahrten werden auch vermieden.

    Supermärkte sind fast alle am Dorfrand liegend, 4-6 km entfernt.

    Würde ich, wenn man nicht gerade in heftigen Hügeln wohnt, als Fahrrad-tauglich bezeichnen... .

    Wenn man natürlich sowieso mit dem Auto unterwegs ist, kann man dann sinnvollerweise auch noch den Einkauf mitnehmen.

    Hier hat früher wirklich jeder Jugendliche zugesehen, dass man mit 18 seinen Führerschein gemacht hat, weil es hier gefühlt nix gab. Auto ist hier ein Muss.

    War bei mir auch so, Dorf praktisch ohne Infrastruktur, Bus einmal die Stunde, Stadt sechs Kilometer entfernt und hügelig - hat mich aber nicht daran gehindert, trotz Führerschein noch ein, zwei Jahre mit dem Rad zur Schule zu fahren, war aber schon eher sportlicher Ehrgeiz dabei und nur bedingt alltagstauglich, gerade mit größeren Transportaufgaben...

    Wobei heute mit der Verfügbarkeit von E-Bikes trotz seit 30 Jahren unveränderter Nahverkehrsanbindung da auch Potential besteht - ganz abgesehen von einer bescheiden verbesserten Versorgungssituation, die zumindest den täglichen Bedarf vor Ort decken lässt...

    Wobei vielleicht noch zur Versorgungssituation in meinem Heimatort zu sagen ist, dass es damals schon Möglichkeiten gab und das Auto seinen Höhepunkt an Selbstverständlichkeit noch nicht erreicht hatte: So gab es da einen lokalen Tante-Emma-Laden, der auch einen Verkaufswagen hatte, mit dem durch die verstreuten Ortschaften getingelt wurde und bei dem man die üblichen Waren fast vor der Haustüre kaufen konnte.

    Mit allgemeiner Verfügbarkeit des Autos und der dadurch billigeren Konkurrenz der Supermärkte war dieses eigentlich praktische Konzept mit dem Ruhestand des Betreibers dann auch vorbei...

  • Warum so negativ dem Auto gegenüber, versteh ich nicht.


    ..... was sich grob zusammengefasst auf die Frage reduzieren lässt, wieso man für die Beschleunigung von durchschnittlich 100kg Nutzlast etwa 1500kg Fahrzeug bewegen und 10qm Verkehrsraum belegen muss.

    Es ist wie es ist und damit leider auch zur Normalität geworden, der man sich in weiten Teilen unterordnen muss.

    Wie weit diese Notwendigkeit des Arrangierens mit dem Auto geht und wie man sich davon unabhängig machen kann, soll dieser Faden erörtern.

    Also erstmal finde ich deine Beschreibung des Autos echt seltsam irgendwie. Bist du mal von einem Auto angebellt oder gebissen worden?


    Und wieso muss man sich unterordnen, arrangieren und unabhängig machen? Du kannst doch weiterhin bei Wind und Wetter durch die Ecken radeln. Dann musst du eben für alles mehr Zeit einplanen und dich warm einpacken von September bis Mai. So what.

  • Bei uns im Tiroler Dorf ist es ähnlich wie in anderen ländlichen Regionen auch. Die nächste Bushaltestelle ist ca. 1 km entfernt - von uns aus steil bergab (zurück natürlich genauso steil bergauf). Der Bus fährt tagsüber einmal pro Stunde, u.a. auch zum nächsten Bahnhof (7 km entfernt). Mein Fahrrad ist mittlerweile eines mit Elektroantrieb, weil ich ansonsten keine Chance hätte, aus dem Dorfzentrum zu uns hoch zu fahren. Außer am Seeufer ist es bei uns überall ziemlich bergig. Hinzu kommen die häufigen Niederschläge, nämlich sturzbachartige Regenfälle oder heftige Schneefälle. Da ist das Fahrrad nicht unbedingt das ideale Verkehrsmittel. Ich muss regelmäßig zu Untersuchungen ins Spital (25 km entfernt) und zum Rheumatologen/Internisten (knapp 35 km). Per Bus und Bahn bräuchte ich für diese Strecken über zwei Stunden, mit dem Auto schaffe ich es in 25 min. bzw. 40 min. Auf dem Hin- bzw. Rückweg kann ich noch allerlei anderes erledigen.


    Kurz: Ohne Auto wäre ich bei uns im Hochgebirge ziemlich aufgeschmissen.


    Als wir vor über 20 Jahren noch in Berlin wohnten, brauchte ich kein Auto. Dort war ich überwiegend zu Fuß oder per U- bzw. S-Bahn unterwegs.

    Bejahe den Tag, wie er dir geschenkt wird, statt dich am Unwiederbringlichen zu stoßen. (A. de Saint-Exupéry)

    Mein Avatar zeigt Kunststofffolie unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

    Warum so negativ dem Auto gegenüber, versteh ich nicht.

    Weil es physikalischer Unfug und gerade in Ballungszentren nicht nur sinnlos sondern sinnwidrig ist.

    Auf dem dünn besiedelten Land mit verstreuter Bevölkerung oder im Gebirge ist es nicht so eindeutig und mit viel Infrastruktur-Aufwand bzw. Verlust an Lebensqualität verbunden, aber für eine deutliche Reduzierung sehe ich viel Potential.

  • Ich habe nie ein Auto besessen und auch keinen Führerschein und meine Wohnorte tatsächlich immer danach ausgesucht dass eben eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel da war.


    Ich denke eine der größten Aufgaben der Zukunft wird sein auch körperlich nicht so fitten Menschen auf dem Land größtenteils noch ein Leben ohne Auto zu ermöglichen.

    Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da. Lebe also heute!


    Pythagoras von Samos

  • Die finanzielle Ersparnis, wenn man kein Auto hat, ist einfach enorm.

    Ich habe mir mal ausgerechnet das ich bei meinem Wohnort locker einmal die Woche mit dem Taxi einkaufen fahren könnte ohne draufzuzahlen.

    Das Gestern ist fort, das Morgen nicht da. Lebe also heute!


    Pythagoras von Samos

  • Früher gab's aber auch in jedem Dorf einen Tante-Emma-Laden,in dem man sich mit dem Nötigsten versorgen konnte.Da brauchte man kein Auto,wenn dann auch noch die Arbeitsstelle in der Nähe des Wohnortes war.

  • Sinnwidrig?! Ahaa :woozy_face:


    Ich finde deine Meinung zu dem Thema ziemlich übergriffig und herablassend. :face_with_monocle:

    Kommt drauf an wie das gemeint ist.


    Das es sinnvoll ist wenn möglichst viele Menschen kein Auto benutzen ist ja richtig.


    Ubergriffig wirds nur dann wenn verlangt würde "schaff dein Auto ab, egal wie deine Lebenssituation aussieht"


    Das sehe ich aber hier gar nicht.


    Denn es ist einfach immer noch so dass die Infrastruktur gerade auf dem Land oder auch schon an Stadträndern es einfach für viele unmöglich oder sauschwer macht ohne Auto auszukommen.


    Es kann ja nicht jeder in die Stadt ziehen und auch in Städten Jobs haben bei denen er nicht um Uhrzeiten arbeitet an der nicht mal mehr Busse fahren.


    Und ich habe tatsächlich obwohl in der Großstadt lebe schon so einige Jobs ablehnen müssen weil ich nicht jeden Tag vier Stunden Fahrradfahren könnte.

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    Pythagoras von Samos

    Einmal editiert, zuletzt von Mozartfan ()

  • Wir brauchen ein Auto. Wir haben zwar unser Haus u.a. deswegen haben wollen, weil wir fußläufig die wichtigen Dinge des Lebens erreichbar haben (für größere Einkäufe haben wir einen Bollerwagen gekauft), aber ganz ohne Auto geht es nicht. Wir haben ein geräumiges Auto um problemlos sperrige Dinge transportieren zu können (Müll ins Umweltzentrum, Möbel, Gartenzeug etc - wir benötigen es oft für solche Dinge) und fahren auch damit zur Arbeit. Die ist mit dem Auto in 30 min erreichbar, mit den Öffis käme man mindestens auf die dreifache Fahrzeit. Um mit dem Fahrrad zu fahren ist es mir zu weit und ich will auch nicht um 4 Uhr morgens deswegen aufstehen. Zusätzlich muss ich in der Rufbereitschaft innerhalb von 30 min meine Arbeitsstelle erreichen können, das geht also nur mit Auto.

    Worauf wir bewusst aus Umweltgründen verzichtet haben, war die Anschaffung eines zweiten Autos.

  • Ich zahle für mein Auto im Jahr 300,00 Euro für Steuer und Versicherung.


    Hier auf dem Lande wäre ich total aufgeschmissen und eine Fahrt nach Bielefeld zum Augenarzt

    kostet schon 130 Öcken . Jeder Einkauf mit Taxi schon 30, Fahrten in das nächste KH 26 Km zum Sonderpreis 45.

    Nach Detmold in die Klinik schon 140.


    Diese Wege, die anderen will ich gar nicht aufzählen, kann ich hier auf dem Land mit Bus und/oder Zug nicht

    unter 2 - 6 Std. bewältigen.


    Ist alles kein Problem wenn man jung und fit ist.


    Und ja, ich würde mein Auto sofort weg geben, wenn die Anbindungen anders wären.

    Und für die Fahrt zu meinem HA, 200Km insgesamt, würde ich einen Leihwagen nehmen.


    Nur woher soll der kommen, wenn Car Sharing hier soweit weg ist, wie einmal zum Mond.

    Völlig utopisch.


    Hobbys und iwelche Treffen könnte ich sofort knicken. Lebensqualität Ade.


    Ist ja hier nicht wie in Berlin, wo fast quasi jeder vor der Haustür ne Haltestelle hat.

  • Ist ja hier nicht wie in Berlin, wo fast quasi jeder vor der Haustür ne Haltestelle hat.

    Eben. Wer in Berlin wohnt, braucht in der Tat kein Auto. Wer in Wien wohnt, braucht ebenfalls keines. Auf dem Land gibt es aber kaum eine Alternative.

    Bejahe den Tag, wie er dir geschenkt wird, statt dich am Unwiederbringlichen zu stoßen. (A. de Saint-Exupéry)

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  • Ich ordne mich nicht dem Auto unter, sondern meiner selbst gewählten Infrastruktur. Wir wollten dieses Haus, in diesem Ort. Am Hang, 30er Zone, viele Kinder - super für den Buben. Später wird er wohl aber fluchen und zügig den Führerschein machen wolöen, denn bei uns gibt es nur einen Bäcker und einen Tante-Emma Laden. Keine Apotheke, keine Lokale, nüxnüxnüx. Busse fahren ein paar Mal am Tag. Zur Bushaltestelle sinds erstmal nur 10 Minuten bergab, aber da wir ganz oben am Hang leben, ist der Heimweg sehr anstrengend^^ Da wird er später Spaß mit der weiterführenden Schule haben. Wir haben uns das so ausgesucht, und daher haben wir 2 Autos. Wir arbeiten beide und sind drauf angewiesen. Ich find mein Auto nebenbei auch noch sehr schön, sehr bequem und ich sitze gern drin. Ich mag es, mir warme oder kalte Luft nach Bedarf um die Ohren wehen lassen zu können. Der Komfort ist mir wichtig, zumal ich mit meinen Krankheiten geplagt genug bin. Fahrradfahren wär schon gesundheitlich nicht drin. (Übrigens auch sehr viele andere Sportarten nicht, wollts nur erwähnt haben). Von daher - selbst wenn ich in einer flachen Innenstadt leben würde, würde ich wohl kein Fahrrad fahren. Ich müsste die Öffis nehmen - doch darauf bin ich inzwischen auch nicht mehr sooo erpicht drauf. Mir waren das schon immer zu viele Menschen auf zu wenig raum. Achja, ein Bus wiegt zwischen 9 und 15 Tonnen und wird oft für eine Hand voll Menschen bewegt. Nach deiner Theorie ist das dann ja auch nicht sooooo erstrebenswert. Müsste man dann stehenlassen, wenn nicht genug Menschen drinnen sind.

  • Ich habe im 2,5-km-Radius um meine Wohnung herum alles inklusive Bahnhof, Supermärkte, Drogerie, Discounter, Innenstadt, Einzelhandel, Arbeitsstätte, Krankenhaus, diverse Fachärzte, Sportmöglichkeiten (sofern Corona vorbei ist), Volkshochschule (wenn Corona vorbei ist) und sogar ein Landschaftsschutzgebiet. Das einzige, was weiter weg ist, ist ein Baumarkt und Möbelgeschäfte, aber da komme ich jeweils mit einem Bus hin, der direkt vor meiner Haustür hält. Ich liebe die Großstadt. Meine Monatskarte kostet soviel, wie die Stellplatzmiete für ein Auto wäre.


    Und ich wohne weder in Berlin noch in Wien.

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