Afghanistan - ein zweites Vietnam?

  • Mich würde beim Thema Abzug der US-Truppen (und damit auch der deutschen) interessieren, ob es sich um eine Verlust-Nutzen-Abwägung handelte oder ob "man" meint, die Gründe für den Einmarsch gäbe es nicht mehr.


    Generell meine ich natürlich, dass deutsche Soldaten weder in Afghanistan noch sonstwo auf der Welt etwas zu suchen haben.

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

    Nach meiner Beobachtung der Nachrichten sind es vor allem innenpolitische Gründe - es ist halt zu teuer und zu verlustreich, um es auf unbegrenzte Zeit zu betreiben und den Rückhalt in Bevölkerung und Parlament dabei zu erhalten... .

    Seit der ersten massiven Reduzierung der Truppenstärke war aber IMHO absehbar, dass die Sache so ausgeht... .

  • Seit der ersten massiven Reduzierung der Truppenstärke war aber IMHO absehbar, dass die Sache so ausgeht... .

    Das war vom ersten Tag des Einmarsches absehbar. Man hätte nur die Russen fragen müssen.

    Darüber hinaus fällt mir gerade kein Beispiel ein, wo ein Truppeneinmarsch die Dinge nachhaltig zum Guten gewendet hätte.

    Und nein, Deutschland 1945 ist ein ganz schlechter Vergleich...

    Und nein, Deutschland 1945 ist ein ganz schlechter Vergleich...

    Der wäre mir spontan gar nicht in den Sinn gekommen, aber könntest Du mal ausführen warum konkret?

    Die Ausgangsbedingungen waren halt ganz anders, die Grundlagen eines geregelten und sogar demokratietauglichen Staatswesens waren vorhanden, aber darüber hinaus?

    Und die Frage der Alternative stellt sich immer - verbrannte Erde, zurück in die Steinzeit bomben und dann verschwinden?

    Schwierig...

  • Der wäre mir spontan gar nicht in den Sinn gekommen, aber könntest Du mal ausführen warum konkret?

    Bei aller kritischen Distanz zu meinem geliebten Vaterland, würde ich trotzdem sagen, dass die 12 Jahre Faschismus in Deutschland ein kultureller Ausrutscher waren. Zwar mit sehr schwerwiegenden und nachhaltigen Folgen (und deshalb kein Vogelschiss!) aber doch eine temporäre geistige Verirrung.

    Grundlegende Werte, die Demokratie und alles was wir an Deutschland heute schätzen hervorbringen, sind eben in zweitausend Jahren europäischer Geschichte gewachsen. Das würde ich so von keinem Land außerhalb der "alten Welt" behaupten, und schon gar nicht von Afghanistan.

    Das soll bitte nicht als Geringschätzung verstanden werden. Ich gestehe jedem Land - einschließlich Afghanistan - seinen eigenen Weg auf der Grundlage seiner eigenen Geschichte und kulturellen Traditionen zu.

    Deshalb führen militärische Interventionen im Sinne einer Installation unserer System- und Wertvorstellungen zwangsläufig ins Desaster.

  • Deshalb führen militärische Interventionen im Sinne einer Installation unserer System- und Wertvorstellungen zwangsläufig ins Desaster.

    Das kann man nicht genug unterstreichen und bekräftigen. Und dabei wird genau das in Argumentationen gerne weggelassen. Man denke doch nur an den desaströs geendeten "Demokratie-Export" nach Nordafrika, als man noch Facebook und Twitter als zivilisatorische Errungenschaften feierte. Im völlig zerstörten Syrien ging das weiter.

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

  • Der wäre mir spontan gar nicht in den Sinn gekommen, aber könntest Du mal ausführen warum konkret?

    Bei aller kritischen Distanz zu meinem geliebten Vaterland, würde ich trotzdem sagen, dass die 12 Jahre Faschismus in Deutschland ein kultureller Ausrutscher waren. Zwar mit sehr schwerwiegenden und nachhaltigen Folgen (und deshalb kein Vogelschiss!) aber doch eine temporäre geistige Verirrung.

    Grundlegende Werte, die Demokratie und alles was wir an Deutschland heute schätzen hervorbringen, sind eben in zweitausend Jahren europäischer Geschichte gewachsen. Das würde ich so von keinem Land außerhalb der "alten Welt" behaupten, und schon gar nicht von Afghanistan.

    Das soll bitte nicht als Geringschätzung verstanden werden. Ich gestehe jedem Land - einschließlich Afghanistan - seinen eigenen Weg auf der Grundlage seiner eigenen Geschichte und kulturellen Traditionen zu.

    Deshalb führen militärische Interventionen im Sinne einer Installation unserer System- und Wertvorstellungen zwangsläufig ins Desaster.

    Ich geh ja ansonsten durchaus konform mit Deinem Posting, aber wie zur Hölle kommst Du ausgerechnet auf einen kulturellen Ausrutscher? Klingt schon äußerst verniedlichend und an der Sache vorbei. Eigentlich noch schlimmer als die Bezeichnung Vogelschiss. Als wäre statt Beethoven halt 12 Jahre lang Schönberg und Alban Berg gespielt worden. Vom Mädchenorchester Auschwitz.

    Millionen Tote sind keine "Verirrung".

    Wie ist denn Deine historische Einschätzung - dass da eine totalitäre Tradition seinen Höhepunkt erreicht hat?


    Und zurück nach Afghanistan - haben Menschen dort nur die Rechte, die sie traditionell "verdienen", oder sind diese universell?

    Nicht, dass es darum gegangen ist, bei diesem Krieg - aber ist die strikte Heraushaltung aus "inneren Angelegenheiten" wie den lokalen Menschenrechten wirklich der bessere Weg? Im Zuge der Globalisierung von den unterschiedlichen Bedingungen so lange es geht wirtschaftlich profitieren und dann zur nächsten Enklave des Mittelalters weiterziehen? Oder gar aus moralischen Gründen die totale Nichteinmischung, neben der politische Führung auch die Wirtschaft boykottieren, was das "Mittelalter" effektiv konservieren könnte.

    Für mich ist die Kernfrage aus den zahlreichen militärischen Abenteuern ähnlichen Ausgangs, ob und wie man Menschenrechte exportieren kann - und ob man es überhaupt versuchen soll, Selbstbestimmung der Völker und so...

  • Das war industrialisierter Massenmord, das Verbrechen des 20. Jahrhunderts schlechthin und keine Verirrung oder "kultureller".Fehltritt.

    Ich gebe dir ja komplett Recht, deshalb habe ich die Anmerkung zum Vogelschiss gemacht. Ich will natürlich nicht in Gaulands Schublade landen.

    Worum es mir geht, ist folgendes: War die Entstehung des Faschismus in Deutschland folgerichtig und zwangsläufig? Und konnte diese Barbarei nur in Deutschland existieren weil die Deutschen eben so sind wie sie sind?

    Hättest du mich vor 25 Jahren gefragt, hätte ich geantwortet: Ja, selbstverständlich, lies Goldhagen!

    Heute sehe ich das anders. Hätte man 1916 den 1. Weltkrieg „unentschieden“ enden lassen, hätte es keinen Versailler Vertrag gegeben und wäre Hitler im 1. WK gefallen, dann wäre wohl die NSDAP nie an die Macht gekommen. Es waren Zufälle der Geschichte, die gerade die Deutschen zum Mördervolk haben werden lassen. Das meine ich mit Verirrung.

    Wobei es schon erschreckend ist, wie fragil sich das Deckchen des Humanismus trotz Jahrhunderte alter Tradition der Aufklärung zeigte - von daher meine Frage nach dem Sinn eines "Aufpflanzens" von Menschenrechten auf solche archaische Strukturen wie Afghanistan bzw. dem sinnvollen Umgang mit der bedauerlichen Situation in solchen Ländern.

  • Ein Armutszeichen sonder gleichen. Wie hat man den Afganistan-Einsatz jedes mal aufs Neue begründet? Weiß man das noch? Irgendwas mit Verteidigung unserer Demokratie am Hindukusch, oder so ein Gefasel. Und das haben wir zwanzig Jahre geglaubt und uns erzählen lassen. Was hätte man für das viele Geld dort Brunnen und Schulen bauen und Schulbücher drucken können. Aber das war wohl gar nicht der Plan. Westliche Selbstherrlichkeit in Sack und Asche. Wieder nix gelernt. Schande. Nur schämt sich wieder mal keiner.

    Aber bringt es was, einfach Entwicklungshilfe zu schicken, wenn die staatlichen Strukturen deren sinngemäße Verwendung nicht gewährleisten können?

  • Aber bringt es was, einfach Entwicklungshilfe zu schicken, wenn die staatlichen Strukturen deren sinngemäße Verwendung nicht gewährleisten können?

    Natürlich nicht, das sehen wir in Afrika. Andererseits ist das kein Grund für einen Militäreinsatz.

    Allerdings frage ich mich eher, WARUM einem bestimmten Land geholfen werden soll. Denn überall, wo Not und Elend herrscht, wird auch D nicht helfen können. Es sind also eher geostrategische Erwägungen, humanitär ummantelt.

    Die Grundlage ist die Basis von ALLEM.

  • Das war industrialisierter Massenmord, das Verbrechen des 20. Jahrhunderts schlechthin und keine Verirrung oder "kultureller".Fehltritt.

    Ich gebe dir ja komplett Recht, deshalb habe ich die Anmerkung zum Vogelschiss gemacht. Ich will natürlich nicht in Gaulands Schublade landen.

    Worum es mir geht, ist folgendes: War die Entstehung des Faschismus in Deutschland folgerichtig und zwangsläufig? Und konnte diese Barbarei nur in Deutschland existieren weil die Deutschen eben so sind wie sie sind?

    Hättest du mich vor 25 Jahren gefragt, hätte ich geantwortet: Ja, selbstverständlich, lies Goldhagen!

    Heute sehe ich das anders. Hätte man 1916 den 1. Weltkrieg „unentschieden“ enden lassen, hätte es keinen Versailler Vertrag gegeben und wäre Hitler im 1. WK gefallen, dann wäre wohl die NSDAP nie an die Macht gekommen. Es waren Zufälle der Geschichte, die gerade die Deutschen zum Mördervolk haben werden lassen. Das meine ich mit Verirrung.

    Ok, danke für die Erklärung. Jetzt versteh ich es.


    Dieser Vernichtungsfeldzug, so bürokratisch durchgeplant und gnadenlos ausgeführt, diese Gründlichkeit seh ich schon als Eigenschaft der Deutschen. Kann man positiv einsetzen oder halt negativ wie im Faschismus.

    Aber bringt es was, einfach Entwicklungshilfe zu schicken, wenn die staatlichen Strukturen deren sinngemäße Verwendung nicht gewährleisten können?

    Hilfe, die wirklich der Bevölkerung zugute kommt, ist nie verkehrt. Du kannst aber nicht Care Pakete mit mörderischen Drohneneinsätzen verbinden.


    Oder Hochzeitsgesellschaften bombardieren und danach erwarten, dass Dir die Menschen dort um den Hals fallen.


    Die Menschen im Hinterland von Afghanistan, im Siedlungsgebiet der Paschtunen, werden immer ums Überleben kämpfen und archaischen Traditionen verhaftet bleiben. Das Leben der Frauen dort wird immer vom Goodwill der männlichen Familienmitglieder abhängen.


    Aber ich bin selbst gespannt, wie es weitergeht. Wenn sie es schaffen, in Kabul ein Parlament aufrechtzuerhalten, wo die wichtigsten Gruppen und auch Frauen vertreten sind, seh ich nicht ganz schwarz.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!